Lehrerheft

Geleitwort der Bundesstiftung Aufarbeitung

Liebe Lehrerinnen und Lehrer, liebe Schülerinnen und Schüler, die Überwindung der SED-Diktatur und der anschließende Prozess der Deutschen Einheit veränderte das Leben von allen Menschen in der DDR. Inwiefern dies auch für die Menschen im Westen galt, ist unter Experten und Beteiligten umstritten. In jedem Fall aber sind der Herbst 1989, der Mauerfall und die Friedliche Revolution heute vielen Menschen noch in Erinnerung.

Bei heutigen Schülerinnen und Schülern sieht das anders aus. Nach dem Mauerfall im vereinigten Deutschland geboren, besitzen sie keine eigenen Erfahrungen mit der Teilung des Landes und der kommunistischen Diktatur. Sie können sich die damaligen Ereignisse nur über die Erinnerungen und Erfahrungen von anderen erschließen. Da die Auseinandersetzung mit der Geschichte von Demokratie und Diktatur nach 1945 im Unterricht nicht selten untergeht, ist es umso wichtiger, neue Zugänge anzubieten.

Die Auseinandersetzung mit dem Spiel WENDEPUNKTE bietet neue Möglichkeiten für das historische Lernen: Die Spielerinnen und Spieler werden dazu aufgefordert, sich auf vielfältige Weise gleichermaßen individuell wie auch systembedingt entscheiden zu müssen, wie sie sich im Spannungsfeld von Anpassung und Opposition unter den Bedingungen einer Parteidiktatur verhalten. Nimmt man die Mitgliedschaft in der SED in Kauf, um studieren zu können? Wagt man Widerspruch im Betrieb? Ist man bereit, die eigenen Karrierechancen auch beim Ministerium für Staatssicherheit zu verfolgen?

Aus der Chance, sich auf spielerische Weise in den Alltag und das Leben in einer Diktatur hineinzuversetzen, erwächst freilich auch die Herausforderung, wie aus historischer Empathie mit den Akteuren historische Erkenntnis und Urteilskraft erwachsen kann. Hier haben die Autoren mit dem vorliegenden Lehrerheft eine Möglichkeit geschaffen, das eigene spielerische Verhalten zu reflektieren. Kontextualisierungen und Arbeitsanregungen laden dazu ein, sich etwa mit dem politischen System der DDR, herausragenden historischen Ereignissen des Jahres 1989 und so unterschiedlichen gesellschaftlichen Feldern wie Schule und Arbeit zu beschäftigen.

So entsteht die Möglichkeit, sich mit den jeweiligen Blickwinkeln der damaligen Zeitgenossen vertraut zu machen und sich darüber ein eigenes Urteil zu bilden. Auf diese Weise können aus Jahreszahlen historische Erzählungen entstehen, die eine Annäherung an das Geschehen vor nunmehr über 25 Jahren bieten.

Ich wünsche dem Spiel, dass es viele Geschichtsinteressierte in die Hand nehmen, um sich auf eine faszinierende Reise in die Zeit vor, während und nach der revolutionären Umbrüche der Jahre 1989 und 1990 zu begeben.

Dr. Jens Hüttmann, Leiter der schulischen Bildung der Bundesstiftung Aufarbeitung

Das Spiel im Unterricht

Vieles ist bereits geschrieben und gesagt zur deutsch-deutschen Teilung und Geschichte der DDR, die gleichermaßen auch die Geschichte der Bundesrepublik ist. Viele (Bildungs-)Materialien, Webseiten und Projekte sind entwickelt worden und Bestandteil politisch-historischer Bildung. Warum braucht man dann noch ein Kartenspiel und begleitendes Bildungsmaterial?

Das Kartenspiel WENDEPUNKTE zeigt verschiedene Aspekte individueller, politischer und gesellschaftlicher Umbrüche nach 1989 auf und gibt gleichzeitig einen vertieften Einblick in das politische System und das Leben der DDR-Bürger*innen. Dies macht seine Besonderheit für einen Einsatz im Unterricht aus: Anhand der erspielten Biografien und der einzelnen Ereigniskarten lassen sich durch den Einsatz kreativer Methoden komplexe geschichtliche Sachverhalte zugänglich thematisieren. Zudem können Analogien zu zeitgenössisch relevanten Fragen des Zusammenlebens und der politischen Mitgestaltung hergestellt werden. So ist es Anspruch der Handreichung, Impulse
für eine kritische Auseinandersetzung mit DDR-Geschichte mit ihr zu geben.

VIELFÄLTIGE INHALTE

Es befinden sich zwei KOPIERVORLAGEN im Heft, die ergänzend zum Spielablauf eingesetzt werden: eine Übersicht mit allen Ereignissen des Kartenspiels, sowie ein Fragebogen für den Spielverlauf. Beide Kopien helfen den Schülerinnen und Schüler (SuS), die Inhalte des Spiels und ihre Entscheidungen für die weitere Auseinandersetzung zu reflektieren und festzuhalten. Auf der Kartenübersicht (siehe Seite 48) sollen die SuS ihre gespielten Karten ankreuzen. Eine vertiefte Beschäftigung kann entweder mithilfe von QUERSCHNITTSAUFGABEN (ab Seite 8), die sich inhaltlich am Fragebogen orientieren, erfolgen oder anhand von THEMENBLÖCKEN (siehe Seite 12):

Die Wahl der Themenblöcke und die jeweils zugeordneten Übungen orientieren sich an den Inhalten des Spiels. Die Themenblöcke ähneln sich im Aufbau, sodass je nach Alter, Kenntnisstand und
Unterrichtsgestaltung zwischen den Themen gewählt werden kann. Ergänzend wird in jeder Übung auf weiterführende Materialien und Quellen für das Thema und/oder die verwendete Methode verwiesen. Dabei lernen die SuS durch den Umgang mit unterschiedlichen Quellen und Wissensbeständen die Möglichkeiten eines multiperspektivistischen Geschichtslernens kennen. Die Beschreibungen der Übungen sind so gestaltet, dass ergänzend eigene Arbeitsblätter erstellt werden können.

BENÖTIGTE ZEIT

Die Querschnittsaufgaben und Themenbereiche ermöglichen je nach vorhandener Zeit und Lehrplan-Kontext eine unterschiedlich ausführliche Beschäftigung mit dem Spiel und den Inhalten.

Das Spiel kann in einer Unterrichtsstunde (45 Min.) gespielt und anhand des Fragebogens besprochen werden. Für die Beantwortung der ersten Frage auf dem Fragebogen (vor dem Spiel) sind 10 Minuten vorgesehen, das Spielen und die Beantwortung der beiden anderen Fragen dauert insgesamt 25 Minuten. Die letzten 10 Minuten sind für die Nachbesprechung vorgesehen. Wir empfehlen mindestens eine Doppelstunde für die Beschäftigung mit WENDEPUNKTE. Neben dem eigentlichen Spielen können so durch ein bis zwei Übungen aus den Querschnittsaufgaben bzw. den Themenblöcken einzelne Inhalte vertieft werden. Eine Kombination von Übungen bzw. tiefer gehende Beschäftigung im Rahmen von Projekttagen ist möglich und erwünscht. Anregungen zur Umsetzung finden sich in einzelnen Übungen.

Am Ende des Heftes finden sich weiterführende Links und Hinweise für zusätzliche Quellen und Literatur.